Unser Umgang mit Grenzverletzungen und Übergriffen

Wenn wir davon sprechen, dass manches nicht in Ordnung ist, dann muss es auch Möglichkeiten für korrigierendes Handeln geben.

Im Vorfeld reden wir mit den Kindern je nach Alter über bestimmte Regeln. Sie müssen sensibilisiert werden für die Intimsphäre der anderen. Wichtig ist uns dabei, dass die Kinder den gleichen Respekt anderen Kindern gegenüber haben, wie sie ihn selbst für sich erwarten.

In diesem Bereich müssen wir sorgsam und vorsichtig handeln. Es muss für die Kinder deutlich werden, dass und warum sie Grenzen überschritten haben. Das setzt natürlich voraus, dass unter den Erwachsenen (Eltern und Erzieherinnen) Einigkeit darüber besteht, ab wann es sich um einen sexuellen Übergriff handelt.

Sicher spielt bei der Bewertung die konkrete Situation eine Rolle. Dennoch versuchen wir an dieser Stelle eine Festlegung, wann ein Eingreifen und Handeln notwendig ist.

Ein sexueller Übergriff unter Kindern liegt für uns dann vor, wenn sexuelle Handlungen erzwungen werden, das betroffene Kind sie unfreiwillig duldet oder ein Kind gezwungen wird, mitzumachen. Oft liegt in solchen Fällen ein Machtgefälle zwischen den Kindern vor. Es kann gründen auf unterschiedlichem Alter, körperlicher Kraft, Beliebtheit, Versprechungen usw. Übergriffe können auch ohne körperliche Berührungen erfolgen, etwa durch eine sexistische Sprache (Schimpfwörter!). Hinter solchen Übergriffen herrscht oft die Absicht, Macht und Überlegenheitsgefühle zu erleben.

Sexuelle Übergriffe sind für uns Erwachsene gut zu erkennen, wenn das betroffene Kind sich äußert und selbst deutlich machen kann, dass es etwas nicht will. Wenn ein Kind aber unter einem Druck nur scheinbar mittmacht, weil es z.B. dazugehören möchte, braucht es viel Feingefühl, die Situation zu erkennen und das Kind bzw. die Kinder auf die Situation anzusprechen.

Konkret:

Sobald der sexuelle Übergriff bemerkt wird, wird das „Spiel“ beendet.

Wir befragen die beteiligten Kinder dann getrennt, zunächst das betroffene Kind. Die Erzieherin seines Vertrauens fragt, wie es die Situation erlebt hat. Es kann dann seine Sichtweise zu schildern. Das hat für uns oberste Priorität.

In diesem Gespräch begegnen wir dem Kind wertschätzend, achtungsvoll und ruhig. Wir verhalten uns zurückhaltend und hören erst einmal nur zu, was das Kind uns berichtet. Hierfür lassen wir ihm Zeit und drängen es nicht. Unterbricht es seine Erzählungen und möchte nicht fortfahren, geben wir ihm die nötige Zeit, bis es dazu bereit ist.

Zum Schluss fassen wir noch einmal zusammen, was uns das Kind erzählt hat. Wir bestätigen dem Kind, dass das, was es erlebt hat, nicht regelkonform war und es gut war, es uns zu erzählen.

In einem späteren Gespräch informieren wir das betroffene Kind über die Konsequenzen für das übergriffig gewordene Kind.

Wir achten darauf, dass das betroffene Kind im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit bleibt.

Danach spricht die Erzieherin seines Vertrauens mit dem „übergriffigen Kind“. Auch dieses Gespräch soll in einer vertrauensvollen und wertschätzenden Atmosphäre stattfinden. In sachlicher Weise formuliert sie unsere Haltung zu dem Vorfall. Wichtig dabei soll die Einsicht sein, dass das betroffene Kind in seinen Gefühlen und in seinen Körperempfindungen verletzt wurde. Es wurde eine Grenze überschritten, was von uns nicht geduldet werden kann.

Das zieht eine Konsequenz nach sich, die möglichst als angemessen empfunden wird. Jede solcher Situationen besprechen wir im Team.

Abschließend muss aber deutlich werden, dass wir das Verhalten als einen Fehltritt ansehen und wir uns wünschen, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Wir signalisieren, dass wir dem übergriffigen Kind zutrauen, sein Verhalten zu verändern und begleiten es auf seinem Weg.

Nicht bewährt hat sich, allen Beteiligten gemeinsam die Möglichkeit zu geben, ihre Sicht des Geschehenen zu schildern. Wie bereits weiter oben erwähnt, gibt es in aller Regel ein „Machtgefälle“ zwischen den Kindern. Das übergriffige Kind möchte negative Konsequenzen für sich vermeiden. Es liegt nahe, dass es versuchen wird, die Verantwortung von sich zu weisen und die Situation so darzustellen, dass es nichts zu befürchten hat. Das betroffene Kind würde u.U. noch mehr verängstigt sein. Vielleicht würde es aus Angst auch seine Darstellung zurücknehmen und in eine noch ungünstigere Position kommen.

Kinder sind sensibel und spüren, wenn etwas geschehen ist. Wir kehren deshalb auch nichts unter den Teppich. Wenn es also nötig ist, thematisieren wir, dass es eine Situation gab, die nicht in Ordnung war. Die Namen der betroffenen Kinder werden dabei natürlich nicht genannt. Wir reden noch einmal über unsere Regeln.

Informationen an die Eltern

Den Eltern ist bekannt, dass es ein sexualpädagogisches Konzept gibt. Im Aufnahmegespräch wird den Eltern mitgeteilt, wie wir mit kindlicher Sexualität in der Einrichtung umgehen, was für uns erlaubt ist und wo wir Grenzen setzen.

Grundsätzlich finden nach einem sexuellen Übergriff Gespräche mit den Eltern des übergriffigen und/oder des betroffenen Kindes statt. Uns ist wichtig den Eltern mit, Verständnis, Offenheit und ohne Schuldzuweisungen zu begegnen. In jedem Fall möchten wir einer Eskalation entgegen wirken. Der Vorfall ereignete sich im Kindergarten und soll auch dort bearbeitet werden. Gespräche, Maßnahmen und Konsequenzen sind Sache der Einrichtung. Die Eltern müssen aber gut informiert sein. Es geht, wie oben erwähnt, nur um eine Fehlhandlung. Wir fällen kein Urteil über ein Kind, wir beurteilen nur eine Handlung und möchten sichergehen, dass sie sich nicht wiederholt.

Sollte eine Verständigung schwierig sein, haben Eltern immer die Möglichkeit, mit dem Vorstand oder Elternbeirat, der als Bindeglied zwischen Erzieherinnen und Eltern fungiert, zu sprechen. Sollte es im Einzelfall wirklich nötig sein, können wir uns an Fachstellen wenden und uns Unterstützung holen. Den Eltern empfehlen wir diese gegebenenfalls auch und geben beispielsweise Literaturvorschläge zum Thema.

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