Exkurs: Kindliche Sexualität

Die Erfahrung und Beschäftigung mit dem eigenen Körper und mit Sexualität sind ganz natürliche Entwicklungsphasen, die zum „erwachsen-werden“ dazu gehören. Die psychosexuelle Entwicklung ist genauso wichtig wie die kognitive, emotionale und soziale.  

Der Mensch ist von Geburt an ein sexuelles Wesen. Bereits ein neugeborenes Kind erforscht seinen Körper aktiv und sucht Kontakt zu seinem sozialen Umfeld. Wie fühlen sich Berührung, Liebkosungen und Küsse an? Wie erlebt es schon in der frühen Entwicklungsphase und dann auch später die entgegengebrachte Fürsorge, die Einschränkungen und Regeln? Wie geht es mit Unsicherheiten um?

Unser Umgang mit Körperlichkeit und Sexualität prägt uns von Geburt an. Er gehört zu unserm gesellschaftlichen und kulturellen Leben und trägt ganz entscheidend auch zu unseren Norm- und Wertevorstellungen und zu unserem Erleben von Sexualität im Erwachsenenalter bei.

Wir erleben in jedem Kindergarten immer wieder die gleichen Phasen der kindlichen Entwicklung und Reifung. Sie ist in den jeweiligen Altersstufen allerdings sehr unterschiedlich.

In der Nestgruppe beobachten wir vor allem

  • eigene Körpererkundungen
  • Selbstbefriedigung und
  • den Prozess des Trockenwerdens.

Im zweiten Lebensjahr entdecken die Kinder immer mehr ihre Genitalien als Lustquelle und die Stimulation durch eigene Berührungen. In diesem Alter beginnt auch die Beherrschung des Schließmuskels und das Interesse an den eigenen Ausscheidungen. Sie erfahren die Macht über ihren eigenen Körper.

Ganz langsam wächst nun auch zum Ende des zweiten Lebensjahres das Interesse an den Geschlechtsteilen von anderen Kindern. Man zeigt sich gegenseitig, schaut dem andern ganz gerne mal beim Toilettengang zu (hier ist die Freiwilligkeit sehr wichtig). Sie erleben sich selbst als Mädchen oder Jungen.

Bei den größeren Kindern bemerken wir

  • eine sexualisierte Sprache
  • Körpererkundungen bei dem jeweiligen anderen Geschlecht
  • Doktorspiele und auch  
  • Selbstbefriedigung

Ein wesentlicher Unterschied zur Altersstufe der Zwei- bis Dreijährigen ist, dass sich die Sexualität der Kinder in diesem Alter nicht nur auf den eigenen Körper, sondern auch auf den Körper des Anderen bezieht, wobei das Geschlecht dabei zweitrangig ist. Die Kinder stellen erste Fragen zur Fortpflanzung und den Funktionen ihrer Körper. Sie erforschen ihren Körper und den des Gegenübers.

Hier beginnen nun auch vermehrt die Doktorspiele und Rollenspiele, wie z.B. Vater, Mutter, Kind. Die Kinder haben beim Spiel die Möglichkeit, Beziehungen zu gestalten, ihre Neugier zu befriedigen und das andere Geschlecht zu erfahren.

Bei Doktorspielen mit Gleichaltrigen untersuchen die Kinder gegenseitig ihren Intimbereich. Sie können die Geschlechtszuordnung an äußeren Merkmalen erkennen (z.B. Penis oder Vulva) und Geschlechtsteile mit Namen benennen.

All das gehört zur normalen Entwicklung im Vorschulalter.

Wenn wir, Eltern und Erzieherinnen, mit diesem Bereich sensibel umgehen, Fragen zulassen, diese nicht tabuisieren, können die Kinder den Umgang mit ihrem Körper lernen, ihre eigenen Grenzen und die auch anderer Kinder kennenlernen und respektieren. Sie müssen sich nicht verstecken, um ihre Neugierde zu befriedigen und diese als schamhaft empfinden. Letzteres könnte dazu führen, dass die Empfänglichkeit für Grenzverletzungen größer wird.

Wir wollen Sexualerziehung verstanden wissen als umfassende und ganzheitliche Begleitung und Förderung. Das Kind soll ein positives Körpergefühl erfahren und seinen Gefühlen vertrauen.

Je älter die Kinder werden, um so mehr verfestigt sich ihre geschlechtliche Rolle, dies wird auch durch Werbung, Kleiderordnung, unterschiedliche Spielzeuge und durch das gelebte Rollenverständnis der Gesellschaft unterstützt. Die Kinder bewegen sich mehr unter Gleichgeschlechtlichen. Hier fällt auch oft der Spruch „Mädchen sind schwach, Jungen sind stark“, ein „Junge weint nicht“.

Wichtig ist uns, dass die Kinder Jungen und Mädchen als gleichwertig erfahren.

Eine gelungene Sexualerziehung lässt auch die Vielfalt zu. Wir beobachten, dass Kinder auch mal gerne in die Rolle des anderen Geschlechts schlüpft und sich dementsprechend verkleiden.  Das soll es tun können, ohne ausgelacht zu werden.

Ganz wichtig: Die Kindliche Sexualität unterschiedet sich gravierend von der des Erwachsenen. Sie ist spielerisch und nicht zielgerichtet. Im Vordergrund steht das Erleben des Körpers mit allen Sinnen. Kinder sind unbefangen und suchen Nähe und Geborgenheit. Ihre Körpererkundungen werden nicht bewusst als sexuelle Handlungen wahrgenommen.

Im Gegensatz dazu ist Erwachsenensexualität zielgerichtet und absichtsvoll. Sie orientiert sich an Entspannung und Befriedigung.

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